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Wer war der Hanswurst?

Der Beinamens dieser ältesten komischen Figur der deutschen Bühne, ist der angeblichen Lieblingsspeise des deutschen Volkes entlehnt. Haben doch auch die Engländer ihren Jack Pudding, die Franzosen ihren Jean Potage, die Italiener den Maccaroni, die Holländer den Pickelhering.

Auch bei anderen Nationen dient der Name Hans (Johann) als geläufigster zur Bezeichnung eines Menschentyps. Man denke an John Bull, Yankee, die holländische Verkleinerung von Jan, Jannecke, an Jean Bête, der für einen dummen Kerl und Jean Foudre, für einen Maulhelden. Wir kennen Hans Liederlich, Hans Dampf in allen Gassen, Hans Urian oder den Faselhans, den Plapperhans, den Prahlhans, den Küchenmeister Schmahlhans.

Schriftlich erscheint der Hans Wurst zuerst in der Form "Hans Worst" in der Rostocker Bearbeitung des Sebastian Brantschen Narrenschiffs im Jahre 1519; Brant selbst hatte ihn noch "Hans Myst" genannt. Gewiss war er lange vorher schon gebräuchlich und sein Charakter genug bekannt. Luther, der ja den Leuten "aufs Maul sah", konnte ihn voraussetzen in seiner Streitschrift gegen den Herzog Heinrich von Braunschweig, betitelt "Wider Hans-Worst", Wittenberg 1541. Es heißt da:

"Dies Wort, Hans Worst, ist nicht mein, noch von mir erfunden, sondern von anderen Leuten gebraucht wider die großen Tölpel, so klug sein zu wollen, doch ungereimt und ungeschminkt zur Sache reden und tun. Also hab ich's auch oft gebraucht, sonderlich und allermeist in der Predigt." Wie man sich damals den Hans Wurst vorstellte, geht weiter aus folgender Stelle hervor: "Wohl meinen etliche, ihr haltet meinen gnädigen Herrn (den Kurfürsten von Sachsen) darum für Hansworst, daß er von Gottes Gaben stark, fett und völligen Leibes ist."

Hans Wurst wurde also mit einem wohlgemästeten Körper gesehen, als eine Figur, der die Wurst (pars pro toto = das Essen) über alles geht, ein Tölpel und Fresser dazu.

Hans Wurst tritt 1553 im Fastnachtsspiel, 1573 im Schuldrama auf, dem "Fall Adams", neben Gott Vater und Gott Sohn! In der Trunkenen Litanei des Gargantua Fischarts, 15775, erhält Hans Wurst, in der heute üblichen Form und Schreibweise, den guten Rat:
"Trink allzeit vor dem durst:
so tringt dich kein durst mein Hans Wurst."

In der "Historia von Doktor Johann Fausten", die 1587 gedruckt wird, gesellt sich Hans Wurst dem Dr. Faust als Begleiter.

Am Beginn des 18. Jahrhunderts sollte Hans Wurst in Wien das italienische Buffo-Theater nationalisieren und den fremden Harlekin vertreiben. Joseph Anton Stranitzky, der Lustspiel- und Stegreifdichter wählte für Hans Wurst das Gewand eines salzburgischen Bauern:
"... mit einem grünen hohen Spitzhut, 's Haar über 'd Scheitel in 'n gradstehenden Zipfel zusammengebunden, mit breiten schwarzen Augenbrau'n und großem kohlschwarzem Bart von ein' Ohr zum anderen über's Kinn herab, dann mit'n großen Kröß und in der Mitt' ein großes Herz und H.W. daneben draufgenäht und in langen gelben Beinkleidern mit'm faustgroßen Knopf am Latz."

Stranitzky ließ drucken: "Hanns Wurst Lustige Reyss Beschreibung aus Salzburg in verschiedene Länder". Sie erschien ohne Jahreszahl und Ort und ist sehr selten. Diese erdichtete Reise des Hans Wurst's führt von Salzburg nach Moskau, Tirol, Finnland, Grönland, Schweden, Steiermark, Schwaben, Kroation, Holland, Westfalen, Welschland, Böhmen, die Türkei - nirgends gefällt es ihm bis er endlich "langet zu Wien an / kommt ungefähr in das Commedi-Haus / suchet Dienst / wird von daselbstiger Bande als ein Baur auff- und angenommen und beschließet seine Reiss."

Bekannt ist, das später Goethe die Figur des Hanswursts aufnimmt samt den alten Knittelversen. Seine derblustige Posse "Hanswursts Hochzeit oder der Lauf der Welt" hat er selbst als den Gipfel des Mutwillens bezeichnet. Dann treten die Gegner des Hans Wursts auf den Plan, voran Gottsched, die ihn von der "großen Bühne" vertreiben wollen. In den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts tobt in Wien der Hanswurststreit. Ein Stück des Dichters Klemm, das 1767 den Hauptschlag gegen die unermüdlichen Gegner des Hanswursts führen wollte, endete damit, dass von Apoll an der Hand geführt, Hans Wurst als zehnte Muse auf den Parnaß erhoben wird.

Alles das konnte ihn aber nicht retten, er verschwand. Aus den Hanswurstereien und Hanswurstiaden wurden etwa um 1800 - der Komiker Johann Laroche hatte sich den Namen Kasperl zugelegt und das Leopoldstädter Theater in Wien hieß nach ihm allgemein "Kasperltheater" - die "Kasperlstücke", in denen gewissermaßen heute noch Hans Wurst fortlebt und die "Hauptperson" ist. Pocci in München wahrte noch am ehesten seinen Charakter.

Als eine der vielen Nachfahren des Hans Wurts bildete sich in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in Berlin der "Onkel Pelle" aus, der allerdings nicht, wie man vernuten könnte, etwas mit der Wurstpelle zu tun hat. Niemals fehlte er auf den Laubenfesten. "Bunt kostümiert, als Harlekin oder Kasper, leitete er die Spiele der Jugend. Er inszenieret Märchenvorstellungen, in denen die Kinder mitwirken, aus dem Stegreif, erzählte Ihnen Geschichten , führte den Reigen am Tage und den Fackelzug beim Eintritt der Dunkelheit an, schüttete den lustigen Bonbonregen aus, kurzum: "Onkel Pelle" sorgte dafür, dass der Sonntag ein ununterbrochenes Vergnügen wurde." Also schilderte ihn die "Berliner Börsenzeitung" vom 14.8.1939.

Anekdoten aus der Welt der Wurst